Taubertal100 - 100 Meilen Lauf sub 21h am 2.10.21




Schlüsselmomente beim 100 Meilen Lauf
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Am Freitag Nachmittag ging es los, nach Rothenburg. Mein Freund Carsten begleitete mich. Seine Aufgabe war es, über 20 Stunden die einzelnen Verpflegungspunkte anzufahren und mich bei Laune zu halten. Kein einfaches Unterfangen.
Die Anmeldung wurde coronakonform und sehr herzlich von den Organisatoren durchgeführt. Es gab mit allen Läufern ein gemeinsames Abendessen. Der Weltmeister über 24h – Florian Reus, mein Lauftrainer – hat danach einen Vortrag über Krisenmanagement während langer Läufe gehalten. Unter anderem hat er auch den Spartathlon gewonnen und erzählte von seinen Erfahrungen.
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Um 4 Uhr morgens ging es am Samstag weiter. Gemeinsames Treffen um 5.20 Uhr. Ca. 200 Läufer wurden von einem Ritter begrüßt. Der Taubertal100 Lauf ist ein traditioneller Botenlauf – von Rothenburg nach Wertheim – und wenn man im Ziel ankommt, wird man zum Ritter geschlagen. Eine aufwendige und mit viel Liebe zum Detail geführte Laufveranstaltung.
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Um 6 Uhr war der Start. Ich hatte mir einen Plan zurecht gelegt, bei insgesamt 12 Meilensteinpunkten sollte ich eine gewisse Durchgangszeit haben, um die 21 Stunden in Summe zu unterschreiten. Denn dies war für mich die magische Grenze, um mich für den Lauf in Griechenland, den Spartathlon über 246 Kilometer, meine Vision, zu qualifizieren.
Die Wettervorhersage war gut, eine Herausforderung war es, die direkte Sonneneinstrahlung über 3 - 4 Stunden gut zu vertragen. Aber es war kein Regen vorhergesagt und für die Nacht waren keine niedrigen Temperaturen erwartet.
Den Lauf kann man kurz in zwei Teile aufteilen: Laufen während des Tages – so bis zu 100 Kilometer und dann die Nachtstunden – bis 3 Uhr morgens – um die weiteren 61 Kilometer zu schaffen.
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Die erste Krise kam so bei Kilometer 80 – es ging plötzlich langsamer. Im Grunde kann ich den Lauf mit zwei Herausforderungen beschreiben – Durchhaltevermögen und Zeitdruck. Und nach ca. 9 Stunden kam so das erste Mal der Zeitdruck auf – werde ich die angestrebten 21 Stunden unterbieten können? Die gute Nachricht war, dass ich mich im Vorfeld 100% auf den Lauf konzentriert und fokussiert hatte, ohne mir zu viel Druck zu machen, schließlich soll es ja auch noch Spaß machen.
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Meine drei Jungs und meine liebe Frau waren ab Kilometer 70 bei allen weiteren Versorgungspunkten dabei. Gemeinsam sind wir in das 100 Kilometer-Ziel Hand in Hand eingelaufen. Ich bin sehr stolz auf meine Familie.
Langsam wurde es dunkel, ich verabschiedete mich und ging in die zweite Runde – den Nachtlauf. Es gab alle 10 Kilometer Verpflegungspunkte – bis zu diesem Zeitpunkt war ich in meiner angestrebten Zeit.
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Noch konnte kurzärmelig gelaufen werden. Ich war alleine, von den 200 Läufern hatten sich 30 für die lange Distanz angemeldet. Alle liefen mehr oder weniger alleine verteilt auf der Strecke.
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Auch wenn ich mir die Topographie und das Höhenprofil genau angeschaut hatte, musste ich feststellen, dass ich die Strecke nicht mehr richtig abschätzen oder einsehen konnte. Es machte sich eine gewisse Orientierungslosigkeit breit – ich wurde langsamer. Erfahrungen bis 100 Kilometer hatte ich bereits, aber nun wurde es ernst, es wurde wichtig, wie reagiere ich, was passiert, wenn nichts mehr geht, aber dennoch weitere 50 Kilometer zu laufen sind? Und nun wurde es spannend. Ich zählte förmlich jeden Kilometer – es dauerte immer länger, auch wurde es kälter. Meine Beine spürte ich nicht mehr. Mittlerweile hatte ich bestimmt 30 Gels und literweise Flüssigkeit zu mir genommen. Ich musste mich zwingen, Energie über Ernährung aufzunehmen.
110 Kilometer, Check Point, endlich, Pause, hinsitzen, zur Ruhe zu kommen. Es wurde nicht besser, ich wurde langsamer, 120 Kilometer, mein Freund Carsten gab mir die abgesprochenen Rationen. Mich würgte es so langsam. Alleine, im Dunkeln, ging es irgendwie weiter, am Main entlang, noch einen Marathon...mittlerweile, bei Kilometer 130 war ich fast 1 Stunde hinter meinem Plan. Mist, klar, gesund ankommen ist für mich am wichtigsten, aber all die Vorbereitung, all die Fokussierung und Trainingseinheiten, all die Unterstützung durch Sponsoren und Freunde...wie sollte es weitergehen?
Ich hatte mich mit dem Pausenmanagement verkalkuliert, hatte zu oft angehalten und nun kämpfte ich mich Schritt für Schritt nach vorne, Gehpausen. Noch 30 Kilometer – und mein Ziel schien in weiter Ferne.
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Florian Reus hatte am Vorabend gesagt, dass es manchmal auch gut ist, nicht auf die Uhr zu schauen, die Uhr wegzunehmen und in den Rhythmus zurückzufinden. Dasselbe hat mir meine Mentaltrainerin aus der Schweiz, Marjeta Gurtner, geraten.
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Ohne genaue Uhrzeit habe ich dann in mich hineingehört, und bin einfach gelaufen, langsam, aber Schritt für Schritt, ich machte die letzten 30 Kilometer keine Pausen mehr und bin einfach durchgelaufen, weitergelaufen, ich war in mir, plötzlich spielten Raum und Zeit keine Rolle mehr. Ich habe mich Richtung Ziel orientiert und war im Jetzt.
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Ich kann mich schon heute nicht mehr richtig an die letzten Verpflegungsstationen erinnern. Der letzte Kilometer hatte 100 Höhenmeter – ich konnte nicht mehr – und hatte nur noch 15 Minuten, um mein Ziel zu erreichen. Die letzten Meter begleitete mich mein Freund Carsten – Zieleinlauf – Ritterschlag – geschafft. Erst mal ein Bier.
Ich bin überglücklich, die Rückfahrt hat drei Stunden gebraucht, ich konnte nicht schlafen, zu sehr hat mich das Ganze aufgewühlt.
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Allen, die mich unterstützt haben und an mich geglaubt haben, meinen herzlichen und aufrichtigen Dank! Die 100 Meilen bin ich nun unter 21 Stunden gelaufen, damit kann ich mich für Griechenland qualifizieren. Das Anmeldefenster dafür ist Anfang nächsten Jahres – ich freue mich darauf!
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