Taubertal 100 - 10/2019

Wann ist mir in den Sinn gekommen, für einen Ultramarathon zu trainieren? Reicht der einfache Marathon nicht?
Angefangen hat alles 2011 nach dem ersten Hechinger Panoramalauf.
Mein Laufvorbild, Carsten Harter, hatte mich überredet mitzumachen. Ich bin damals 1 h und 5 Minuten gelaufen. Seitdem habe ich bei mehreren Laufevents, darunter auch mehrere Marathonläufe, teilgenommen. Allerdings konnte ich mich nie mit schnellen Zeiten anfreunden. Es hat mir einfach keinen Spaß gemacht, Intervalle oder ambitionierte Zeiten auf einen 10er oder 20er zu realisieren. Meistens habe ich mich überanstrengt und danach nicht gut gefühlt. Klar, ich hätte mehr bzw. spezifischer trainieren können, um schneller und besser zu werden.
Aber über die Jahre habe ich gemerkt, dass mir langsames Laufen gefällt, erst recht bei längeren Distanzen. Letztes Jahr bin ich dann von Hechingen nach Neufra und zurück gelaufen. Einen 50 km Lauf, alleine, in meiner „Wohlfühlzeit“. Und es hat mir richtig Spaß gemacht. Es war ein Abenteuer, nicht zu wissen, was nach den 42 km (und 195m) passiert. Für mich war der Lauf erfüllend und hat Lust auf mehr gemacht.
In den Monaten danach habe ich viele Bücher über Ultralaufvorbereitung gelesen. Ich konnte leider nicht allzu viel für mich mitnehmen und hatte das Gefühl, dass die Hinweise und Beschreibungen nicht zur mir passen.
In der gleichen Woche habe ich von Carsten einen Link zu Florian Reus, deutscher Rekordmeister über 24h/48h Rennen, bekommen. Er bietet individuelles Lauf-Coaching auf seiner Homepage an. Ihn habe ich kontaktiert mit dem Ziel, die 100 km im Taubertal in diesem Jahr zu schaffen.
Wie groß war der Null-Bock-Ich-Kann-Mich-Nicht-Überwinden-Schweinehund vor der ersten Trainingseinheit?
Es brauchte keine Überwindung. Laufen macht mir Spaß und es tut mir gut. Ich komme dabei zur Ruhe und kann mental Themen, die mich beschäftigen, besser verarbeiten.
Außerdem habe ich Respekt vor den langen Trainingseinheiten und sehe darin eine große Herausforderung. Das motiviert mich. Und von einem Weltmeister trainiert zu werden, das hat schon eine gewisse positive Wirkung auf mich.
Wie sieht der Trainingsplan aus und wie gehe ich beim Training vor?
Im Vorfeld habe ich mich medizinisch untersuchen lassen. Meinen Laktatwert zu kennen und zu wissen, dass ich ansonsten gesund bin, hilft mir, das Training bewusst und ohne Blockaden anzugehen. Stephan Orth, Physiotherapeut, hilft mir, wenn meine Muskulatur nicht mehr mitmacht. Gleichzeitig unterstützt mich meine Familie bei dem Vorhaben. Ohne sie könnte ich das nicht machen.
Im Austausch mit Florian Reus wurde ein Trainingsplan über sechs Monate erstellt. Grundlage dazu waren ca. 1500 km Laufleistung in den vorangegangenen 12 Monaten und eine Zeit unter 5 h beim Freiburger Marathon.
Erste Phase:
Ziel ist die Basis für 100 km-Training herstellen von April bis Juli
Umfänge erhöhen (40-60 km pro Woche); über Trainingshäufigkeit zu realisieren
Intensive Einheiten schonend durchführen (Tempowechselläufen, Fahrtspielen)
Langer Lauf als Schlüsseleinheit mit 25-30 km – idealerweise gelegentlich auch 35 km
Einzelne Läufe in sehr langsamen Tempo (low pulse) zur langfristigen Anpassung
Zweite Phase:
Ziel ist Verbesserung und Anpassung der Leistung im low pulse Bereich ab Juli
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Einzelne Peak-Wochen mit Umfängen bis idealerweise etwa 100 km
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Langer Lauf als Schlüsseleinheit mit 35 km+
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Etwa zwei bis drei Wochen vor dem Taubertal100 längster Trainingslauf über 45-50 km
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Eventuell einzelne Nüchternläufe zur Verbesserung des Fettstoffwechsels
Folgende mentale Vorbereitung, vor- und während dem Lauf, wende ich an:
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Sich Meilensteine/Etappenziele setzen.
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Fokussierung und Konzentration: Im Hier und Jetzt sein und sich auf den Wettkampf einlassen:
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Rückbesinnung auf Erfahrung:
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Anwendung der Visualisierungstechnik.
Ernährung während der Vorbereitungsphase?
Was gibt es schöneres, als ein kaltes Bier nach einem langen Lauf zu genießen? Also auf das möchte ich während der Vorbereitung nicht verzichten.
Unterm Strich ist es jedoch wichtig, das Gewicht zu reduzieren, um einfach leichter zu laufen. Hier habe ich mich mit einem Ernährungscoach, Burkhardt Fisch, zusammengesetzt. Die Vorgehensweise ist einfach: reduziere die tägliche Kalorienzufuhr. Mittlerweile habe ich 5kg abgenommen.
Wenn ich mir nach einer Laufeinheit ein Bierchen gönne, lass ich einfach eine Zwischenmahlzeit weg. Die täglichen Ernährungskomponenten sind so zusammengestellt, dass ich alle wichtigen Nährstoffe zu mir nehme. Da die wöchentliche Belastung zunimmt, setzen wir uns einmal die Woche zusammen, um die Entwicklung und Vorgehensweise zu besprechen.
Welche Zeit peile ich beim Ultramarathon an?
Mir ist es wichtig, gesund die Strecke zu beenden. Das heißt, nur das Ankommen zählt. Und das sollte bestenfalls innerhalb von 15 Stunden passieren, ansonsten falle ich aus der Wertung. Da ich keinerlei Erfahrungen habe, setze ich mir kein großes Zeitziel. Die ersten 50 km werde ich in einer „Wohlfühlzeit“ laufen, also so im 7,30er Min/km Schnitt, und danach muss ich sehen, wie sich die Kilometer entwickeln.
So eine Laufstrecke ist ziemlich lang. Erscheint die Strecke manchmal auch endlos?
So eine Laufstrecke ist ziemlich lang. Erscheint die Strecke manchmal auch endlos?
Letztens bin ich im Bisinger Stadion 32 km gelaufen, das war schon eine gewisse Herausforderung, ich hatte zwar Getränke griffbereit, aber die 80 Runden habe ich mir schon mental aufteilen müssen.
Wenn ich an die 100 km denke, dann kommt mir das natürlich viel zu weit vor.
Ich nehme die Herausforderung dennoch an und trainiere weiter nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“.
Was ist für größer: die körperliche oder die mentale Herausforderung?
Im September werde ich eine Wochendistanz von 100 km laufen, der längste Lauf wird ca. 50 km sein. Körperlich werde ich mich über den steigenden Trainingsplan anpassen. Bei den langen Distanzen setze ich mir dann auch Etappenziele. Momentan erlebe ich es so, dass ich mir nach einem 33er Lauf nicht vorstellen kann, diese Distanz noch 2 mal zu laufen.
Die mentale Stärke wird meines Erachtens eine größere Rolle spielen.
Was kann man zum Beispiel tun, um jeden Tag das Laufen zu trainieren?
Jeden Tag laufen mag vielleicht gerade für den Anfang zu oft sein. Ich denke es ist wichtig, sich selbst gegenüber keinen allzu hohen Druck aufzubauen.
Tipps, die jeder nachmachen kann
Abwechslung in den Laufeinheiten (Länge, Intensität) und man sollte sich schon auch mal belohnen, wenn ein selbst gestecktes Wochenziel erreicht ist.
Zu zweit, bestenfalls mit einem Freund, laufen.
Sich realistische Ziele setzen.
Sich selber keinen Druck machen. Spaß haben.
In der eigenen Wohlfühlgeschwindigkeit laufen.
Einfach Schuhe schnüren und loslaufen (auf gute Schuhe achten.)
Zu einer fixen Zeit laufen.
Bin selber zwar in keinem Laufverein, aber ich habe über die LG Steinlach nur Gutes gehört.




